
Münster 1946
Missmutig beäugte der Bischof von Münster die kleine Militärmaschine, die die britische Militärregierung für die Reise nach Rom zur Verfügung gestellt hatte. „Die ist gerade groß genug für einen Sarg für mich“ kommentierte der hochgewachsene Mann das Fluggerät. Doch aus dem Flug wurde nichts. Schlechtes Wetter verhinderte den Start.
Am folgenden Tag, es war Freitag der 8. Februar 1946, griff man zu Plan B. Die Briten hatten Autos und Fahrer organisiert. Ziel der Reise war der Vatikan in Rom. Dort sollten dem Erzbischof von Köln, Joseph Frings und dem Bischof von Münster Clemens August Graf von Galen die Kardinalswürde verliehen werden.
Papst Pius XII. (der vormalige römische Nuntius Eugenio Pacelli) hatte kurz vor Weihnachten 32 neue Kardinäle ernannt. Nie zuvor wurde eine derart hohe Zahl an Kardinälen gleichzeitig berufen. Unter Ihnen waren auch 3 Deutsche Bischöfe.
Neben den beide genannten war auch dem Bischof von Berlin, Konrad Graf von Preysing diese Ehre zuteil geworden.
Endlich machte sich die kleine Reisegruppe, zu der neben den beiden Bischöfen noch Domkapitular Dr. David und der Bischöfliche Sekretär Dr. Hürtgen aus Köln und der Münsteraner Domkapitular Dr. Bierbaum sowie der bischöfliche Sekretär Dr. Portmann gehörten, in Begleitung des britischen Brigadiers Sedgwick auf die Reise.
Weit sollten sie am ersten Tag aber nicht kommen. Schon in der Nähe von Paderborn blieb ein Auto im Wasser stecken und musste von Anwohnern herausgezogen werden. Gegen 22 Uhr streikte dann auch das Fahrzeug der Bischöfe. So wurde die Fahrt bis morgens um 7 Uhr unterbrochen. Übernachtet wurde wenig komfortabel im Auto.
Endlich um 9 Uhr in Frankfurt angekommen gab es für die gebeutelten Romfahrer eine kleine Verschnaufpause, ehe es am Sonntagmittag um 2 Uhr weiter in Richtung Karlsruhe ging. Von dort aus war die Weiterfahrt mit dem Zug in Richtung Österreich geplant. Doch auch dieses Unterfangen scheiterte.
Nun hatte Erzbischof Frings die Nase gestrichen voll. „Ohne einen Pfennig Geld, Kehren Sie um“ entfuhr es ihm „Ich kann auch leben ohne Kardinal zu sein“.
Wieder in Frankfurt angekommen, besann man sich eines Besseren und disponierte erneut um. Das nächste Etappenziel sollte nun Paris sein. Mit einem Militärzug wurde die Reise am Montagnachmittag fortgesetzt. Ohne weitere Zwischenfälle kam die Gruppe dort am Dienstag um 10 Uhr an. Hier empfing sie der Apostolische Nuntius Roncalli. Ohne es zu wissen hatten sie in ihm den kommenden Papst Johannes XXIII. vor sich. Der Aufenthalt hier im Grand Hotel mit kirchlich geprägtem Sightseeing verbesserte die Stimmung deutlich. Zum krönenden Abschluss des Besuchs nahmen die künftigen Kardinäle und ihr Gefolge Tickets erster Klasse im Wert von 4051 Franken für den Zug Paris – Dijon – Lausanne – Simplon – Mailand – Rom in Empfang.
Am Mittwochmorgen, bei der Ankunft im ersten Schweizer Bahnhof, waren unsere Reiseabenteurer erneut auf fremde Hilfe angewiesen, Zum Frühstück ließen sie sich in der Bahnhofsgaststätte von französischen Prälaten, die ebenfalls nach Rom fuhren, einladen. Diese spendierten großzügiger Weise auch das Mittagessen im Zug. Als „Ein Bild der Armut“ beschreibt Joseph Frings ihr Auftreten später in seinen Memoiren.
Mittwochs folgte noch ein Aufenthalt in Mailand bei katholischen Schwestern, ehe sie am 15. Februar endlich Rom erreichten. Dort folgten die aufwendigen Zeremonien zur Verleihung der Kardinalswürde. Der weitere Verlauf des Besuchs in Italien und auch die Rückkehr verliefen schließlich reibungslos.
Für Clemens August Graf von Galen sollte es die letzte Reise gewesen sein. Kurz nach seiner Rückkehr, die ihn zu seinem Bruder Franz nach Dülmen führte, verstarb der „Löwe von Münster“ am 22.3. 1946. Seine Heimat Dinklage hat er als Kardinal nicht mehr gesehen.

Haus Merfeld, Dülmen, Wohnsitz Franz von Galens