Die Geburt eines Kindes bietet stets Anlass zum Feiern. Während beim “ Kind pissen lassen“, das kurz nach der Geburt im Hause des Kindsvaters von statten geht , hat es mit dem Kilmerstutens mehr Zeit. Zu beachten ist allerdings, dass das Kind zum Zeitpunkt dieses Ereignisses noch nicht laufen kann. Sollten die Überbringer des Kilmerstutens diese Frist überschritten haben, so müssen sie wohl oder übel die Zeche selbst zahlen. Allerdings wäre das auch nicht besonders tragisch, denn die Kosten für den Gastgeber halten sich doch sehr in Grenzen. Er muss lediglich für den Belag des Kilmerstutens, der sich klassisch aus Butter und Schinken oder Leberwurst zusammensetzt, sorgen. Auch muss er natürlich Kaffee und ausreichend alkoholische Getränke bereitstellen. Viel Alkohol werden seine Gäste aber kaum mehr verzehren, sind Sie doch meist schon arg vorbelastet.
Die Gruppen, die einen Kilmerstuten bringen, dies können Nachbarn, Freunde oder Vereine sein, treffen sich nämlich bereits am frühen Abend in einer Gaststätte. Von dort geht es dann unter Absingen von Trinkliedern mit dem auf einer kurzen Leiter befestigten Kilmerstuten von Gaststätte zu Gaststätte. Da hier oft auch der Wirt oder andere Gäste zusätzlich zu den selbst bestellten Runden einen ausgeben, nimmt die Aufnahmefähigkeit für alkoholische Getränke von Lokal zu Lokal ab.
Was auf diesem Weg an Getränken einzunehmen ist, darüber belehrte Wittrocks Addi einst einen Gast. Als der nämlich einen Charlie bestellen wollte, verweigerte Addi Ihm dies mit den Worten:
„Up Kilmerstuten gifft dat nur Schluck un‘ Beier“
Der nicht aus Dinklage stammende Gast empörte sich darüber fürchterlich. Es half abernichts. Selbst als er schließlich Alster verlangte zeigte sich Addi stur und wiederholte seine Worte.
Gewisse Regeln sind eben wohl oder übel einzuhalten. Die Herren tragen noch heute mindestens einen Zylinder (besser noch Frack und Zylinder) den sie mit einem blau- bzw, rotkarierten Band schmücken, je nachdem ob es sich bei dem Kind um einen Jungen oder ein Mädchen handelt. Bei den Damen reicht auch das Band allein als Kopfschmuck.
Der Weg bis zum Gastgeber kann sich bis in die Nacht hinziehen. Nicht selten kommt es unter den Beteiligten zu Verlusten. Manch eine Gesellschaft ist nur noch in halber Stärke bei den wartenden Eltern angekommen. Kurz vor der Ankunft wird dann noch bei den Nachbarn angeklingelt und nach dem Weg zum Haus der jungen Eltern gefragt, was weniger aus Unwissenheit erfolgt, als vielmehr als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen ist, dass man noch gern einen Kurzen ausgegeben haben möchte.
„Güstekilmer“
Will sich bei einem verheirateten Paar auch nach Jahren trotz redlicher Bemühungen kein Nachwuchs einstellen, so müssen Sie dennoch nicht auf einen Kilmerstuten verzichten. In diesem Fall bringen ihre Freunde ihnen gern einen „Güstekilmer“. Dieses unterscheidet sich nicht vom herkömmlichen Kilmerstuten und dient als Trost für die entgangenen Elternfreuden. Gelegentlich werden auch Großeltern mit einem Omastuten bedacht. Mögen diese Traditionen noch recht lange erhalten bleiben.
Kilmerstuten der Nachbarschaft Friedenstraße, Anfang der 1980er Jahre